In meinem Garten beherberge ich seit nun 4 Jahren einjähriges Berufskraut. Wie vieles andere auch in meinem Garten, ist es ein sogenanntes Unkraut. Das hat mich aber wie bei allem anderen nie gestört. Ich mag die zarten weißen Blüten die über allem anderem herausragen sehr gerne. Was ich aber dieses Jahr erst mit Erstaunen gelesen habe ist, dass das einjährige Berufskraut zu den Neophyten gehört. Was sind Neophyten? Das habe ich hier in einem Beitrag zusammengefasst.
Allgemeine Informationen über das einjährige Berufkraut – Erigeron annuus
Das einjährige Berufskraut (Erigeron annuus) wird auch oft als Feinstrahl bezeichnet, was sehr gut passt, da es sehr feine („gestrahlte“) Blüten hat. Es gehört zu der Gattung der Berufskäuter, die 400 Arten umfasst. Es erinnert weitestgehend an sehr sehr hoch gewachsene Gänseblümchen (beide gehören zu der Ordnung der Asternartigen). Was mich sehr wundert ist, dass ich Informationen gefunden habe, die besagen er würde 50-100cm hoch wachsen, wird das Berufskraut in meinem Garten doch bis zu 1,70m hoch und das nicht selten. Ich habe viel recherchiert und es wird definitiv das einjährige sein. Deswegen habe ich die Angabe in den Eckdaten angepasst.
Eckdaten
- Standort: Sonnig bevorzugt, Feuchtwiesen
- Boden: nährstoffreich, sandig, durchlässig
- Wuchshöhe: 50- 100/150cm
- Blütezeit: Juni – September
- Giftigkeit: ungiftig
- Inhaltsstoffe: Gerbstoffe, Gerbsäuren, Bitterstoffe
Berufkraut als Wildblume – stehen lassen oder rausrufen?
Das einjährige Berufskraut kommt ursprünglich aus Nordamerika und hat den Weg zu uns bereits im 18. Jahrhundert gefunden. Also ist es bereits seit 300 Jahren bei uns zu finden. Es war wohl ursprünglich eine Zierpflanze, welche dann verwildert ist. Generell sieht man es heute weniger als Zierpflanze denn als Wildblume. Man kann zudem sagen, dass es mittlerweile heimisch ist.
Das einjährige Berufskraut breitet sich relativ stark aus. Für eine bessere Einschätzung kann ich aus meiner Erfahrung sagen, es breitet sich ähnlich stark aus wie Vergissmeinnicht. Es vermehrt sich über Samen. Im Gegensatz z.B. zum Giersch lässt es sich aber einfach entfernen. Das geht auch schon sehr zeitig im Frühjahr und sollte dann auch am besten gemacht werden. Mit geschultem Auge lassen sich die Pflanzen sehr leicht erkennen und rausreißen, sodass eine Vereinzelung z.B. leicht möglich ist, wenn sie zeitig vorgenommen wird. Später bekommen die Pflanzen Pfahlwurzeln die bis zu 1m tief sind, dann ist es freilich nicht mehr so einfach und man kann sie im Prinzip nur vor der Wurzel leicht abreißen.
Aber ist Berufskraut als Neophyt schädlich im Garten oder nicht? Neophyt ist eine Art Schimpfwort für Pflanzen, ähnlich wie Unkraut. Neophyten sind jedoch lediglich Pflanzen die nach 1492 zu uns kamen, also nicht ursprünglich bei uns wuchsen. Nun die Globalisierung schreitet voran, unsere Gärten beherbergen schon lange auch nicht das Gemüse und Obst dass unsere Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßeltern züchteten. Viele alte Sorten sind ja nicht einmal mehr zugelassen. Also sollten wir uns für die Beantwortung der Frage „Stehen lassen oder lieber rausreißen“ vielleicht besser auf die Frage der Nützlichkeit und der Verbreitung konzentrieren.
Wie stark breitet sich Berufkraut aus?
Es gibt einen triftigen Grund warum Berufkraut gefürchtet ist. Eine Pflanze bildet massig Blüten aus und an jeder Blüte bilden sich Samen an Schirmchen, die recht weit fliegen können. Bis zu 50.000 Samen kann es angeblich an einer Pflanze ausbilden. Dabei hat Berufkraut im Gegensatz zu vielen anderen Wildblumen die ich kenne die Eigenschaft, dass es sich sogar im Rasen schafft hier und da Blattrosetten und Pflanzen zu bilden. In der Regel kann man sagen, um so mehr nackter Boden, desto mehr Möglichkeiten für Wildblumen zu keimen und zu wachsen, viele schaffen es deswegen nicht im dicht bewachsenen Rasen. Berufkraut aber ja.
Ich selbst lasse einzelne Pflanzen im Garten stehen und meine Beobachtung bisher ist, ja es verbreitet sich, aber nicht mehr als Wildblumen die man aussagen lässt. Stinkender Storchenschnabel, Horn-Sauerklee, Weidenröschen und rotkelchige Nachtkerze haben sich 2021 bei mir stärker ausgebreitet.
Verdrängt einjähriges Berufkraut andere Arten?
Eine Frage die schwer zu beantworten ist. Ja und nein. In der Schweiz hat sich das einjährige Berufskraut wohl dermaßen stark ausgebreitet, dass es zu den invasiven Neophyten gehört. Damit steht die Pflanze auf der schwarzen Liste. Hier in Deutschland ist das bisher nicht der Fall. Sie gilt als Neophyt ja, wie alle Pflanzen die erst nach 1492 zu uns kamen, aber nicht als invasiv. Ich denke wenn die Pflanze bereits 300 Jahre Zeit hatte sich bei uns auszubreiten und bisher nach meiner Beobachtung noch nicht überall überhand genommen hat, hat sie bei uns wohl zumindest Konkurrenz.
Generell ist zu sagen, dass sehr viele unserer heute heimischen Pflanzen eigentlich Neophyten sind. Das beliebte Löwenmäulchen oder Estragon, viele Aster-Arten, rote Spornblume und selbst die gewöhnliche Sonnenblume sind alles Neophyten, die irgendwann ihren Weg zu uns gefunden haben. Die Frage die wir uns in dem Zusammenhang stellen sollten ist, ob die Art invasiv ist oder nicht. Das Berufskraut ist nicht invasiv und wird nicht auf der schwarzen Liste in Deutschland geführt. Deswegen sehe ich die Pflanze im heimischen Garten als eher unbedenklich. Problematisch kann sie allerdings dennoch im Einzelfall werden, wenn große freie Flächen geboten werden und es sonst wenig Konkurrenz gibt. Sie sollteinsbesondere nicht in freier oder geschützter Natur ausgesät werden – absichtlich oder unabsichtlich. Ganz besonders nicht in Naturschutzgebieten, wo es darum geht die ursprüngliche Flora und Fauna zu erhalten.
Neophyten und Klimawandel
Ein ebenfalls wichtiger Punkt der nicht außer Acht gelesen werden darf.
Der Klimawandel schreitet in den letzten Jahren rasant voran und selbst Hobbygärtner merken die Unterschiede deutlich. Viele Pflanzen, die sich jahrzehntelang wohl bei uns fühlten bekommen die letzten Jahre zunehmen Probleme, während sich viele Neophyte sichtlich wohl fühlen. Wenn wir Artenvielfalt schützen wollen, werden wir wohl auch im Umgang mit Neophyten differenzierter umgehen müssen. Viele von ihnen, so verhasst sie sein mögen, bieten doch Nahrung für Tiere und wachsen unter den unmöglichsten Bedingungen. Das Berufkraut, gehört dazu. Es benötigt kein Wasser und blüht und trotzt bisher jeder Dürre.
Ist Berufskraut nützlich für Insekten?
Als Asterngewächs ist das einjährige Berufskraut durchaus attraktiv als Nektarpflanze. Angeblich sind sie auch gefragt bei Bienen. Aus meinen eigenen Beobachtungen kann ich berichten, dass keine gewöhnlichen Honigbienen oder größere Wildbienen die Blüten gerne aufsuchen, sondern meistens besonders kleine Wildbienenarten. Daneben habe ich immer wieder verschiedene Schwebebienen und Käfer an den Blüten beobachtet.
Der Nabu Ammersbeck führt das einjährige Berufskraut zudem als wichtige Nektarpflanze für Nachtfalter auf.
Berufkraut, unverwüstlich, kälteresistent und eine der letzten Blühpflanzen im Jahr
2021 konnte ich im Garten eine letzte Pflanze, die ich stehen ließ dabei beobachten wie sie noch Anfang Dezember dem Wetter trotzte und blühte. Dabei war sie in diesem Jahr die letzte Blühpflanze. Asterngewächse sind dafür bekannt spät im Herbst zu blühen, aber keine überdauerte so lange. Sollten noch Tierchen um diese Jahreszeit unerwartet und hungrig unterwegs sein, würden sie hier noch was finden.
Mit großer Freude habe ich deinen differenzierten Artikel gelesen und würde mir wünschen, dass mehr Menschen und Organisationen das einjährige Berufskraut und weitere Neophyten so differenziert einordnen.
Meine Beobachtungen decken sich mit Deinen
und ich lasse das einjährige Berufskraut in meinem Garten dort wachsen, wo es sich einfügt 😉
Guter Beitrag. Bin selbst hin- und hergerissen. Wird sich wohl viel ändern in unserer Flora und Fauna.
Ich bin ebenfalls der Ansicht dass man das einjährige Berufskraut sofort entfernen sollte. Besonders an sonnigen, trockenen und lückigen Standorten verbreitet es sich rasend und verdrängt alle einheimische Arten die sich dort ansiedeln könnten. Die einheimischen Arten sind ja ohnehin schon in extremem Rückgang begriffen. Dadurch ist es so gefährlich. Insekten, die auf die einheimischen Arten angewiesen sind, sterben dann mit diesen aus. Da im ländlichen Raum durch die industrielle Landwirtschaft und extreme Landnutzung kaum Brachflächen übrig bleiben, müssen Wildpflanzen zunehmend in Siedlungsbereiche ausweichen. Wenn es im Garten kultiviert wird, verbreiteten sich seine Samen über Wind, menschliche Schuhe, Tiere, abfließendes Regenwasser, Auto- oder Fahrradreifen. Dadurch kann es an andere Stellen außerhalb des Gartens gelangen, an denen es sich wieder ungehindert ausbreiten kann. Eine schöne Alternative, die auch lange blüht wäre z.B. eine einheimische Flockenblumenart wie Centaurea jacea.
Hallo Wolfgang, danke für deinen ergänzenden Kommentar zu dem Thema. Das sind weitere und gute Überlegungen zu dem Thema, die ich gerne für Austausch freigebe.
Ich bin der Ansicht, dass man das einjährige Berufskraut sofort entfernen sollte. Ich habe selbst gesehen wie extrem Invasiv es sein kann. Die kleinen Samen können vom Wind weit transportiert werden, somit verbreitet man es automatisch aus dem eigenen Garten in einem grossen Umkreis.
Vielen Dank für den Kommentar. Der Beitrag muss von mir noch erweitert werden. Die Ansicht ist legitim und es ist auch richtig, dass sich die Pflanzen stark verbreiten. Meiner Erfahrung nach verbreiten sich aber nicht stärker als andere Neophyte, wie Schmetterlingsflieder, welcher mittlerweile an wirklich allen erdenklichen und undenklichen Stellen wächst und sich wohl fühlt. Zum Glück hat auch dieser seinen Nutzen. Fast alle Pflanzen die ich in Gärten entdecke sind nicht einheimisch und darüber hinaus oft nicht mal nützlich. Auch der sehr beliebte Hibiskus versamt sich leicht und stark wenn man ihn lässt. Gleiches gilt für Nachtkerzen, die als eingebürgerter Neophyt gelten. Diese haben sich zuletzt bei mir sogar stärker ausgebreitet als das Berufskraut und sind ebenfalls zum Glück extrem nützlich. Gefährlich werden sie erst wenn sie heimische Pflanzen auf wilden Flächen vertreiben… aber ganz ehrlich, die gibt es bei uns in der Stadt nicht. Und die, die mal entstehen, werden schneller runtergemäht als sie sich versamen können, leider. Am Ende ist mir persönlich jedes blühende Unkraut lieber als Beton oder Rasen, aber wer großen Wert auf ausschließlich heimische Arten legt sollte das Berufskraut tatsächlich konsequent und vor dem Abblühen entfernen.
Da finde ich die kanadische Goldrute deutlich kritischer. Hier in Brandenburg sieht man sie überall. Leider. Die europäische Goldrute hat sie nahezu verdrängt. Oder die Robinie. Total beliebt bei Imkern. Einmal da, bekommt man sie nur noch mit jahrelangem, massiven Aufwand entfernt. Ich kämpfe auch noch seit Jahren hartnäckig gegen die Dreimasterpflanze.